Individualisierung bedeutet die Abkehr des Schulunterrichts von der tradierten Vorstellung, Lernen sei vor allem Wissentransfer, am einfachsten praktiziert durch einen frontalen Lehrervortrag und gerichtet an eine/n fiktive/n Durchschnittsschüler/in. Individualisierung ist hingegen von einer wertschätzenden Haltung gegenüber den Besonderheiten der einzelnen Schülerpersönlichkeiten geprägt und geht auf diese ein. Sie berücksichtigt unterschiedliche Leistungsniveaus und Lernvoraussetzungen und orientiert sich an konstruktivistischen Lerntheorien, wonach Lernwege sehr verschieden sein können, was Tempo und Verständnishindernisse betrifft, und nur dann zum Erfolg führen, wenn sie von bereits vorhandenem Wissen ausgehen. Individualisierung ermöglicht den Schüler/innen, eigenständigen Interessen nachzugehen, ihre persönlichen Zugänge zum Fach zu finden und auszubauen sowie ihre spezifischen Stärken weiterzuentwickeln. Voraussetzung dafür ist aber auch eine neue Prüfungskultur, die diese Lernfortschritte diagnostiziert, anerkennt und gezielt fördert.

(Thomas Stern: Förderliche Leistungsbewertung; hgg. vom Österreichischen Zentrum für Persönlichkeitsbildung und soziales Lernen (ÖZEPS) 2008, S. 107 f.)